Eine Woche Wien: irgendwie wollte ich nicht weg vom See, nicht weg von meinem Vater. Doch mir war bewusst, wie wichtig es ist, dass ich Abstand bekomme. Vor allem musste ich beruflich einiges erledigen, das sich am Weißensee nicht erledigen ließ bzw für das ich nicht die nötige Ruhe finden konnte. Nicht zuletzt freute ich mich darauf, meine FreundInnen wiederzusehen. 

Die Woche ist wie im Flug vergangen, der Abstand aber wollte sich nur im Schneckentempo einstellen. Schon am Abend meiner Ankunft erreichten mich leider schlechte Nachrichten: meinem Vater ging es schlechter, meine Mutter war am Rande der Verzweiflung. Zum Glück war ich in Gesellschaft lieber Menschen, die mir Mut zusprachen. 

Am nächsten Tag ging es ihm etwas besser, was es mir allerdings nicht unbedingt leichter machte, loszulassen. Immer wieder poppte die quälende Frage auf, ob ich nicht doch besser wieder zurückfahren sollte, ob es nicht doch etwas gibt, das ich tun sollte oder könnte. 

Doch während mir all diese Gedanken durch den Kopf gingen, realisierte ich, wie geradezu größenwahnsinnig sie sind. Haben wir nicht einen tollen Hausarzt, der alles tut, um uns zu unterstützen und dem Papa zu helfen? Haben wir nicht eine tolle Pflegerin, die alles tut, um ihm zu helfen, ihn abzulenken und zu versorgen? Ist da nicht meine wunderbare Mutter, die all das in bewundernswerter Art meistert und managed? Vor allem: für wen halte ich mich, dass ich mir einbilde, dass ich meinen Vater retten kann?

Das klingt vorwurfsvoller, als ich es meine. Ich finde all meine Gefanken nur allzu nachvollziehbar. Doch mir darüber bewusst zu werden, dass ich eben nicht allmächtig bin, hat mir sehr geholfen, loszulassen. Klar geworden ist mir das freilich nicht allein, sondern in Gesprächen mit lieben Menschen.

Meine FreundInnen treffen: auch so eine Herausforderung. Denn irgendwie freute ich mich ja sehr, so behandelt wird wie eh und je. Zugleich hatte ich so viel zu erzählen, dass ich gar nicht wusste, wo ich anfangen sollte. Dazu kommt das riesige Bedürfnis, in den Arm genommen zu werden und ein bisschen etwas von der Sicherheit zurückzubekommen, die mir gerade völlig verloren gegangen ist. Bloß will man die eigene Trauer und den eigenen Schmerz anderen nicht aufs Aug drücken, sie mit diesen wahrlich ins Mark gehenden Erlebnissen nicht überfordern.

Während man also dankbar ist, nicht wie ein rohes Ei behandelt zu werden, hadert man damit, dass man am liebsten alles loswerden würde, was man in dieser zugleich harten wie schönen Zeit erlebt hat. So war die Versuchung groß, mich zurückzuziehen – und zwar obwohl ich wusste und weiß, wie sehr mir meine FreundInnen beiseite stehen wollen. Bloß ist da so ein Gefühl, dass man all das nicht so richtig teilen kann. Oder ist es die Angst, nicht verstanden zu werden, enttäuscht zu werden? Und tut man damit den Menschen unrecht, die für eine da sein wollen? Und sind nicht auch sie unsicher, ob sie das Thema ansprechen sollen oder doch lieber Normalität zu leben?

Es ist gar nicht so einfach, sich aus all dem zu befreien. Umso dankbarer bin ich den Menschen, die mir lieb sind, dass sie mir mit so viel Geduld begegnet sind. Zugleich muss ich gestehen, dass ich mich umso mehr danach gesehnt habe, bei meiner Mutter, der Ileana und vor allem bei meinem Vater zu sein, sie zu umarmen und festzuhalten. Denn da war dieses verzweifelte Gefühl, mich momentan nur mit diesen Menschen  so richtig verbunden zu fühlen. Es hat wohl damit zu tun, dass wir in einer solchen Extremsituation sind – und zum Glück schweißt sie uns als Familie zusammen, weil wir genau diesen Zusammenhalt brauchen, um sie bewältigen zu können. Immerhin fühlt man sich in dieser Situation so unendlich allein, so unendlich hilflos, so unheimlich verloren. 

Letzlich bin ich länger in Wien geblieben, als geplant. Nicht lang, aber inmerhin zwei Tage, die sehr wichtig für mich waren. Weil ich dann doch halbwegs zur Ruhe gekommen bin, um immerhin einen wichtigen Teil meiner Arbeit erledigen zu können, so dass ich nun etwas ruhiger bin. Denn zwischendurch hatte ich Sorge, ob ich die erste A&W 2017 wohl auf die Reihe kriegen würde, und begonnen einen Notfallplan zu entwickeln. Ich hoffe sehr, dass es dabei bleibt, dass ich diesen nicht brauche, denn mir macht meine Arbeit einfach wirklich viel Spaß. Wichtig waren die Tage auch, weil ich doch noch ein paar liebe Menschen mehr treffen konnte, als es anfangs den Anschein hatte. Auch das hat mir wahrlich gut getan. Danke Euch einmal mehr, auch jenen, die ich nicht treffen konnte, mit denen ich aber einen mindestens so schönen Gedankenaustausch hatte.