Heute wäre meine Großmutter 98 Jahre alt geworden. Sie war mein großer Anker, vor allem als zu meinem zehnten Lebensjahr mein Leben auf einmal sehr kompliziert wurde. Damals nämlich zogen wir von Essen nach Wien, was für mich als Kind ohnehin schon schwer genug war. Denn ich musste meine Freundinnen zurücklassen, und ich musste vor allem ein Leben zurücklassen, das voller Freiheiten war.

Großer Umbruch

Ich landete in einer Stadt, wo es nicht ganz so einfach war, einfach mal so draußen zu spielen. Und ich musste erst neue FreundInnen gewinnen, mit denen ich spielen konnte. Da dieser Umzug zudem eine große Belastung für die Beziehung meiner Eltern war, war dies ein wirklich großer Umbruch in meinem Leben.
Meine große Stütze war meine Großmutter, und sie ist bis bis an ihr Lebensende die große Konstante meines Lebens geblieben, auch wenn sie sich immer schwerer mit dem Leben tat, das ich geführt habe. Immer war sie in Sorge, ob ich denn ja nicht alleine war. Ob ich denn noch meinen Job habe und gut damit zurecht komme, denn Journalismus war für diese Frau, die am Bauernhof aufgewachsen war, ein Beruf weit jenseits ihrer Vorstellungskraft.

Mit Herz

Dabei hatte sie selbst als Betreiberin einer Frühstückspension einen Beruf, der nicht unbedingt eine sichere Bank war. Doch trotz der vielen Ängste hat sie ihre Arbeit mit viel Liebe gemacht. Auf dem Foto ist sie vor dem Eingang unseres Hauses zu sehen, vor den Rosen, die sie mit so viel Liebe gepflegt hat. Es wärmt mir das Herz, wie mich diese beiden Frauen aus dem Foto anlachen, die mich und mein Leben so sehr geprägt haben.
Bei aller Traurigkeit, die ich empfinde, weil sie nicht mehr unter uns weilt: Ich bin sehr glücklich, dass ich sie so lange in meinem Leben haben durfte. Am Vorabend bevor sie starb, habe ich ihr gesagt: „Oma, Du darfst loslassen, die Mutti und ich kommen schon zurecht.“ Denn sie lag da schon schwer atmend im Krankenhaus und es war nicht klar, ob sie mich überhaupt noch wahrgenommen hat. Sie rang wahrlich mit dem Tod und hätte ihm so gern noch ein bisschen Zeit abgerungen – obwohl sie seit Jahrzehnten immer mehr darüber jammerte, dass sie immer noch lebte. Sie litt am meisten darunter, dass sie nicht mehr arbeiten konnte, dass sie anderen zur Last fiel, obwohl ihr Leben doch darauf ausgerichtet war, anderen zumindest den Urlaub so schön wie möglich zu machen. Und die meine Mutter und mich glücklich sehen wollte. 
Meine liebe Oma, ich hoffe, Du ruhst sanft bei Deinem geliebtem Mann, meinem Opa. Ich werde Euch immer liebevoll in meinem Herzen tragen. Und auch wenn die Mutti und ich danach durch noch schwerere Zeiten gehen mussten: wir schaffen es, uns immer wieder aufzurappeln.