So schwierig, wenn nicht geradezu unmöglich es mir in meiner Vorstellung vorkam, so klar war mir, dass ich es tun würde, als es so weit war: ich zog ins Zimmer meiner Oma ein.  So schwierig es war, so stimmig war es auch. Viele Jahre hatte ich als Kind in diesem Zimmer geschlafen, im alten Ehebett, das ich nach dem Tod meines Großvaters mit der Oma teilte, wenn ich am Weißensee war.

Dort wieder zu schlafen war von daher so etwas wie eine Rückkehr für mich, auch wenn sich dieses Wort so unheimlich wie falsch anfühlt. Denn das Ehebett war schon lange weg, ersetzt durch ein Einzelbett für die Oma, auch der alte Kleiderschrank war schon vor langer Zeit durch einen neuen ersetzt worden. Ich mochte die neue Einrichtung, das schöne Kirschholz.

Als ich ankam, hatte die frühere Pflegerin Ileana das Bett im Bettzeug der Oma überzogen. So stimmig es sich für mich anfühlte: Das war zu viel für mich. Also überzog ich es mit jener Bettwäsche, die ich mit den alten, leider vergangenen Zeiten mit der Oma verband. Dann kroch ich in das feine Bett und blickte mich um. In Sichtweite hingen viele schöne Bilder der Familie, von meinem Großvater, meiner Mutter und meinem Vater. Am häufigsten aber sah ich mich selbst:  Als Baby, als Kind, als Teenager, als Erwachsene. Ach, war ich gerührt, als ich sah, wie sehr meine große Liebe zu ihr nun in vielen Spiegelbildern zu mir zurück leuchtete!

Also begann ich damit, Bilder, auf denen ich allein zu sehen war, durch Bilder von ihr auszutauschen. So oft, wie sie mich sah, wollte ich auch sie sehen. Also stellte ich noch einige andere Bilder aufs Regal am Fußende vom Bett. Dieser Austausch ging recht schnell von Statten. Inzwischen schlafe ich wirklich gern in ihrem Bett, denn ich fühle mich ihr so weiterhin nahe. Zugleich habe ich nun am Weißensee mein eigenes Reich – bitte verzeih mir Oma, was würde ich geben, wenn ich dieses Reich gegen Dich eintauschen könnte!

Irgendwann begann ich auch ihren Schrank zu begutachten, denn ich brauchte Platz, um meine eigene Kleidung zu verstauen. Welche Erinnerungen Kleidungsstücke auslösen können! Mir fällt „a Schurz“ in die Hände, den sie so oft getragen hatte, als ich klein war. Oder Kopftücher. An manchen Kleidungsstücken finde ich Haare von ihr – ich lasse sie dort, denn irgendwie scheint sie mir damit doch noch nahe zu sein. Ihr Tablettenkaroussel fällt mit in die Hände. Ich nehme es heraus und sehe es mir an: ihre Tabletten sind eingeordnet, wie es sich gehört, so als würde sie am nächsten Tag doch wieder ihre „Tablettn“ nehmen. Und doch wird sie das nie wieder tun. Die Erinnerungen aber bleiben – und die guten Erinnerungen werden die traurigen irgendwann verdrängen. Denn sie war einfach eine tolle Frau und ich bin sehr froh, dass ich sie als Oma hatte. Meeeine Ooooma!